Für die Kirchen der Reformation ist das Datum durch Luthers Thesen-Publikation (legendär) am Vorabend des Allerheiligen-Fests völlig neu besetzt - als Gedächtnis der Reformation.

Dazu kommt die Zurückdämmung jeglichen Totenkults, gemäss Mt 8, 22: "Lass' die Toten ihre Toten begraben...".

Alle Anklänge und Erinnerungen an "katholische Fehlentwicklungen" (Fegefeuer, stellvertretende Werke der Heiligen, Ablass, Seelenmessen und ~stiftungen) wollte man rigoros tilgen.

"Allerseelen" zu feiern war für Luther undenkbar.

Im reformierten Bereich ging das so weit, daß auch das Gebet für Verstorbene, sogar die Erwähnung in der Fürbitte, als "katholisch" verworfen wurde (so vom Verfasser 1980 ff im Kt. ZH auf dem Dorf noch erlebt).

Nachdem im Barock Begräbnisfeiern und Totengedenken grossartige öffentliche - und auch äusserliche - Anlässe gewesen waren, wurden sie seit der Aufklärung in die Intimität der Privatsphäre verlegt.

Damit entstand aber andererseits das Bedürfnis nach allgemeinen Toten-Gedenkfeiern, auch in Anknüpfung an die Osterfrühfeier der Herrnhuter Brüdergemeine.



Zu Beginn des 19. Jhd. wurde der "Totensonntag" in der "Altpreussischen Union" der protestantischen Kirchen allerdings obrigkeitlich angeordnet, vor allem aus Gemeinde-psychologischen ("seelsorgerlichen") Gründen: gerade der Toten der Befreiungskriege sollte auch kirchlich gedacht werden.

Schleiermacher hielt eine Reihe von biblisch-nüchternen "Totensonntags"-Predigten.

Der Totensonntag wird seitdem - in den deutschen Kirchen - am "Letzten Sonntag im Kirchenjahr" gefeiert, bevor es mit dem 1. Advent neu beginnt.

Die verschiedenen Benennungen dieses Sonntags - neben der rein kalendarisch zählenden noch "Ewigkeits-Sonntag", "Sonntag vom Jüngsten Gericht", "... vom Jüngsten Tag" - zeigen, wie schwer sich die protestantische Christenheit mit diesem Tag tut.

1919 trat in Deutschland der "Volkstrauertag" dazu; am vorletzten Sonntag des Kirchenjahres begangen und - wegen seiner Umwidmung während der NS-Zeit - nach dem 2. Weltkrieg sehr umstritten.